Internationale Ausschreibung
Der Förderkreis für Raum- und Umweltforschung e. V. (FRU) schreibt den Werner-Ernst-Preis 2018 aus. Der Preis befasst sich dieses Mal mit dem Thema Flächenmanagement, das trotz jahrelanger großer Aufmerksamkeit wegen des immer noch zu hohen „Flächenverbrauchs“ und wegen neuer Anforderungen nichts an Aktualität eingebüßt hat. Das Wettbewerbsthema lautet:
Flächenmanagement unter veränderten Rahmenbedingungen
Thematischer Rahmen des Wettbewerbs
Der weltweit steigende Energiebedarf bei noch überwiegend fossilen
Energiesystemen, Urbanisierung und Landnutzungsänderungen gelten als
drei wesentliche Triebkräfte des globalen Wandels und des anthropogenen
Klimawandels. Deren Ausmaße erfordern eine globale, eine „große
Transformation“, die – zugeschnitten auf die jeweiligen nationalen
Gegebenheiten – Veränderungen (Transformationen) in vielen
Handlungsfeldern erfordert (vgl. WBGU 2011; WBGU 2016). Die urbane Flächennutzung
wird vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen (WBGU) als „transformatives Handlungsfeld“ definiert
(WBGU 2016: 170 ff.), das als zentraler Hebel für Veränderungen dienen
kann und wegen seiner „Dringlichkeit, Größenordnung“, seines „Potenzials
zur Vermeidung von Pfadabhängigkeiten“ und seines „großen Zusatznutzens
besonders geeignet ist“, „Systemumschwünge zur Nachhaltigkeit
auszulösen“ (WBGU 2016: 544). Damit wird Flächenmanagement als eine
zentrale Aufgabe in dieser Transformation adressiert. Flächenmanagement
hat zwischen konkurrierenden Flächenansprüchen von neuen Wohn- und
Gewerbegebieten, Infrastruktureinrichtungen einschließlich Anlagen zur
Energiegewinnung, Landwirtschaft, Risikovorsorge für den Klimawandel und
Umwelt- und Naturschutz unter Berücksichtigung von
Nachhaltigkeitszielen abzuwägen. Flächenmanagement ist auf allen
angesprochenen Ebenen – von der globalen bis zur lokalen Ebene – zu
verorten und demzufolge eine Multilevel- Governance-Aufgabe.
Verstädterung und Urbanisierung haben zwar in Deutschland
vergleichsweise moderate Ausmaße, aber die Flächenneuinanspruchnahme für
Siedlungs- und Verkehrszwecke ist bundesweit – trotz Abnahmen in den
letzten Jahren – mit 66 Hektar pro Tag immer noch zu hoch (Mittelwert
des Zeitraums 2012 bis 2015; Statistisches Bundesamt 2017). Neue Flächen
werden in Deutschland inzwischen zu fast 70 % außerhalb der
verdichteten Regionen in Anspruch genommen, vor allem in kleinen
Gemeinden ohne zentralörtliche Funktionen (Adrian/Bock/Preuß 2016: 25).
Die Steuerung der Flächennutzung auf Basis des zentralörtlichen Systems
scheint somit weniger wirkungsvoll zu sein als erwartet; zumindest
scheint sie durch mächtigere Faktoren wie Grundstückspreise oder
Erwartungen an Umwelt- und Lebensqualität im ländlichen Raum überlagert
zu werden. Dabei zeigen nicht nur wachsende, sondern auch die meisten
schrumpfenden Regionen Flächenneuausweisungen, da Einwohner- und
Arbeitsplatzentwicklung einerseits und „Flächenverbrauch“ andererseits
inzwischen voneinander entkoppelt verlaufen. In allen Räumen bleiben
Brachflächen (zu lange) ungenutzt.
Es ist unklar, ob das Ziel der aktuellen deutschen
Nachhaltigkeitsstrategie, bis zum Jahr 2030 „nur“ noch maximal 30 Hektar
Fläche/Tag für Siedlungs- und Verkehrsflächen neu in Anspruch zu nehmen
(Bundesregierung 2016), erreicht werden kann. Außerdem ist von einer
weiteren Verschärfung der Ziele für die Flächenneuinanspruchnahme
auszugehen: Der tägliche Flächenverbrauch soll nach dem neuen deutschen
Umweltprogramm bis zum Jahr 2030 auf 20 Hektar/Tag gesenkt werden (BMUB
2016: 82), und die Vereinten Nationen, die Europäische Union, der Rat
der Bundesregierung für Nachhaltige Entwicklung sowie verschiedene
Umweltverbände gehen deutlich weiter und empfehlen bzw. fordern eine
Netto-Null-Inanspruchnahme von Flächen bis 2050 (Europäische Kommission
2011: 18; RNE 2016: 6; UN 2016).
Mit diesen strengeren Flächenzielen soll ein Innovationsschub
initiiert werden, der nicht nur zu einer sparsameren und effizienteren
Nutzung der Ressource Fläche führt, sondern auch zu einer effizienteren
und schonenderen Nutzung anderer Ressourcen, denn die Flächenziele
können nur erreicht werden, wenn sie in ein integratives Konzept
nachhaltiger Entwicklung eingebettet sind.
Über die o. g. quantitativen Ziele zur Senkung der
Flächenneuinanspruchnahme hinaus werden qualitative Ziele angesprochen
bzw. es wird gefordert, dass über die Mengenbegrenzung hinaus auch Ziele
für Flächeneigenschaften und Nutzungsqualitäten formuliert und
angestrebt werden. Zum einen wirft der soziodemografische Wandel – in
Deutschland insbesondere die Alterung und soziale Spaltung der
Bevölkerung und die Integration von Zuwanderern – die Frage nach einer
ausreichenden Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und optimalen Nutzbarkeit v.
a. städtischer Grün- und Freiflächen und nach einem angepassten
Infrastrukturangebot auf. Gleichzeitig sind auf kommunaler Ebene
Klimaschutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
erforderlich, die zum Teil ebenfalls mit Ansprüchen an Flächen verbunden
sind. Angesichts knapper – hauptsächlich kommunaler – Budgets stellt
sich die Frage, wie diese quantitativen und qualitativen
Herausforderungen des Flächenmanagements bewältigt werden sollen.
Dabei wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Verfahren und Instrumenten zum Flächenmanagement entwickelt, u. a.:
- Mengenziele für die Obergrenze der Flächenneuinanspruchnahme, von der nationalen bis zum Teil zur kommunalen Ebene
- die städtebaulichen Ziele Kompaktheit, Nutzungsmischung, kurze Wege
- die Ziele Flächenmobilisierung im Bestand, Innenentwicklung vor Außenentwicklung im Verhältnis 3:1, doppelte Innenentwicklung
- das Modell der Flächenkreislaufwirtschaft zur flexibleren und schnelleren Wiedereinbringung von Brachen in den Nutzungszyklus
- Brachflächenmanagementsysteme
- die rechtliche Verankerung des Baurechts auf Zeit
- ökonomische Instrumente wie Grundstücksfonds, Kosten-
Nutzen-Analysen bei der Neuausweisung von Bauland,
Neuausweisungsumlagen, Bodenversiegelungsabgaben
- Bodenvorratspolitik, Information von potenziellen
Flächeninteressenten, Mitwirkung bei der Vermarktung von Flächen,
Flächenmonitoring
- die Einführung des Schutzguts Fläche in der Umweltprüfung zur Bauleitplanung
Da die bisherigen Instrumente und Maßnahmen des Flächenmanagements
offensichtlich nicht ausreichen, die o. g. Ziele in der Praxis zu
erreichen, sind weitere Lösungsansätze in Diskussion bzw. Erprobung:
- eine Überprüfung, aus welchen Gründen die flächenpolitischen Ziele voraussichtlich nicht erreicht werden
- eine konsequente Flächenkontingentierung durch Operationalisierung
der bundesweiten Flächenziele durch Länder, Regionen und Kommunen, ein
zoniertes Satzungsrecht und die Beseitigung kontraproduktiver
ökonomischer und fiskalischer Anreize (vgl. Adrian/Bock/ Preuß 2016)
- handelbare Flächenzertifikate, Diversifizierung urbaner
Eigentumsmodelle, Qualifizierung von Flächeninformationen und
Flächenbewertungen, flexible Flächennutzungen (shared space), städtische Gemeinschaftsgüter (urban commons) (WBGU 2016: 177 ff.)
Da die absehbar anspruchsvoller werdenden Ziele des
Flächenmanagements nur zu realisieren sind, wenn die rechtlichen
Grundlagen diese auch unterstützen, ist zu prüfen, ob das deutsche
Bodenrecht ausreichende Handlungsmöglichkeiten für ein wirksames
Flächenmanagement bietet (Adrian/Bock/Preuß 2016).
Mit dem Werner-Ernst-Preis sollen Arbeiten ausgezeichnet werden, die
eine größere Wirksamkeit des Flächenmanagements im Rahmen nachhaltiger
Raumentwicklung anstreben und sich mit der Thematik Flächenmanagement in
einer der Komplexität der Fragestellung angemessenen Weise befassen.
Die Beiträge können sich aus unterschiedlicher Fachsicht mit dem
Themenfeld befassen; sie können theoretisch-konzeptionell ausgerichtet
sein oder sich empirisch auf Fallbeispiele beziehen und diese
wissenschaftlich analysieren.
Die Arbeiten sollen anregende, innovative Ansätze aufzeigen, die sich
mit folgenden Fragen – auch mit einzelnen dieser Fragen – befassen:
- Welche Widerstände gegen ein wirksames Flächenmanagement können
identifiziert werden und welche Treiber, Triebkräfte oder
Ursachenfaktoren können benannt und analysiert werden?
- Welche Erfahrungen aus anderen (v. a. europäischen) Ländern liegen
zum Flächenmanagement vor? Gibt es für Deutschland interessante,
übertragbare Ansätze?
- Welche neuen, bisher noch wenig bekannten Ansätze und Instrumente für das Flächenmanagement gibt es in Theorie und/oder Praxis?
- Wie werden Bedarfe und Beispiele für das Flächenmanagement in
qualitativer Hinsicht thematisiert und wie können sie umgesetzt werden,
z. B. mit dem Ziel einer ökologisch und sozial gerechten
(Frei-)Flächenverteilung, mit dem Ziel der altersgerechten Nutzbarkeit,
zur Realisierung von Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen oder mit dem
Ziel der ökologischen Aufwertung?
- Welche Interessen und/oder Handlungsmöglichkeiten haben oder
benötigen die am Flächenmanagement beteiligten Akteure und/oder wie
bringen sie sich in das Flächenmanagement ein?
- Welche Konsequenzen hat ein zielführendes, wirksames
Flächenmanagement für die Steuerung der Stadtentwicklung bzw. für
Governance-Fragen?
Erwartungen an die Wettbewerbsbeiträge
Der Wettbewerb richtet sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen und
-wissenschaftler (Master-, Promotions- oder Post-Doc-Phase) ebenso wie
an Personen, die sich in ihrer beruflichen Praxis in Verwaltung,
Planungsbüros etc. mit Fragen der Stadt- und Raumentwicklung
beschäftigen. Er ist offen für alle raumrelevanten Disziplinen.
Wissenschaftlich ausgerichtete Beiträge mit eher theoretischem Ansatz
sind ebenso willkommen wie analytische Arbeiten oder reflektierte
Erfahrungsberichte aus der Praxis mit wissenschaftlicher Fundierung.
Interessierte können gerne zunächst beim Förderkreis anfragen, ob
sich ein vorgesehenes Thema für den Wettbewerb eignet. Neben eigens für
den Werner-Ernst-Preis 2018 erstellten Arbeiten können auch solche
Beiträge eingereicht werden, die auf umfassenderen, bereits vorliegenden
oder in Arbeit befindlichen Studien-, Projekt- oder Abschlussarbeiten
sowie Dissertationen beruhen.
Preise und Preisverleihung
Der Werner-Ernst-Preis 2018 ist mit insgesamt 4.500 € dotiert.
Vorgesehen ist die Vergabe eines ersten Preises (2.000 €), eines zweiten
Preises (1.500 €) und eines dritten Preises (1.000 €). Auf Vorschlag
der Jury kann eine Reduzierung der Zahl der Preise und eine andere
Aufteilung der Preissumme erfolgen. Als Anerkennung für weitere, nicht
mit Geldpreisen ausgezeichnete Wettbewerbsbeiträge stehen wertvolle
Buchgeschenke zur Verfügung.
Die Preise werden im Rahmen des ARL-Kongresses Ende April 2018 in
München überreicht. Die Verfasserinnen und Verfasser der ausgezeichneten
Beiträge erhalten Gelegenheit, ihre Arbeiten in einem Science-Slam kurz
vorzustellen.
Teilnahmebedingungen
Teilnehmen können Studierende, Absolventinnen und Absolventen sowie
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Lehre, Forschung und Praxis aller
relevanten Fachbereiche. Das Höchstalter beträgt 35 Jahre (Stichtag: 15. Februar 2018). Zugelassen sind auch Arbeiten von Teams aus bis zu drei Autorinnen/Autoren.
Die eingereichten Beiträge sind in englischer oder deutscher Sprache abzufassen und dürfen noch nicht an anderer Stelle veröffentlicht oder zur Veröffentlichung angeboten worden sein. Die Arbeiten müssen bis zum 15. Februar 2018 (Datum des Poststempels) in vierfacher Druckversion und in elektronischer Version – bevorzugt auf CD – zusammen mit dem ausgefüllten Bewerbungsbogen bei der Geschäftsstelle des Förderkreises eingereicht werden. Die Druckversionen und die elektronische Version müssen identisch sein und dürfen keinen Hinweis auf die Verfasser enthalten. Pro Bewerberin/ Bewerber kann nur eine Arbeit eingereicht werden. Über die Preisvergabe entscheidet eine unabhängige Jury, deren Mitglieder vom FRU bestimmt werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die eingereichten Arbeiten können leider nicht zurückgegeben werden.
Der FRU lädt die Preisträgerinnen/Preisträger zur Teilnahme am
ARL-Kongress 2018 in München ein. Er sorgt bei Bedarf für Unterkunft und
erstattet die Fahrtkosten nach dem Bundesreisekostengesetz.
Die Preisträger verpflichten sich zur unentgeltlichen Übertragung des Rechts zur Veröffentlichung ihrer eingereichten Arbeiten oder von Teilen daraus an den FRU bzw. an die ARL, sofern in deren Verlag eine Veröffentlichung erfolgt.