Werner-Ernst-Preis 2005 vergeben

Die Gewinnerbeiträge

2. Preis
Dipl.-Wirtschaftsingenieurin Anke Eßer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Industriebetriebslehre und industrielle Produktion, und Dipl.-Wirtschaftsingenieur David Schmedding, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Wirtschaftspolitik und -forschung, Universität Karlsruhe
3. Preis
Dipl.-Ing. Ute Weiß und Dipl.-Geograph Lars Liebe, beide in der Regionalen Planungsstelle Mittelthüringen in Weimar tätig

Grenzenloser Verkehr? – Verkehr an Grenzen!

Im Rahmen der Wissenschaftlichen Plenarsitzung der ARL am 16. und 17. Juni 2005 in Ravensburg wurde der Werner-Ernst-Preis 2005 des Förderkreises für Raum- und Umweltforschung e.V. – FRU – an die Preisträger vergeben. Seit 2003 trägt dieser Nachwuchswettbewerb den jetzigen Namen und ehrt damit den 2002 verstorbenen Staatssekretär a.D. Professor Dr. jur. Dr. jur. h. c. Werner Ernst, der sich in der Exekutive (zuletzt als Staatssekretär), in der Judikative (als Bundesrichter) und in der Wissenschaft (als Hochschullehrer in Berlin und Münster sowie als Präsident – 1971 bis 1974 – und Ehrenpräsident der ARL) hohes Ansehen in Raumplanung und -forschung erworben hat.

Der diesjährige Wettbewerb hatte sich, wie schon in vergangenen Jahren, inhaltlich an der ARL-Jahrestagung orientiert, da der FRU-Vorstand die Einschätzung der ARL teilte, ein aktuelles Thema gewählt zu haben, und sich so wiederum eine harmonische Einbindung der Preisverleihung in die Gesamtveranstaltung ermöglichen ließ.

In der Ende 2004 veröffentlichten Ausschreibung war der inhaltliche Hintergrund dieses Wettbewerbsthemas so beschrieben worden:

Der motorisierte Individualverkehr, insbesondere der Straßengüterverkehr, wächst in Deutschland seit Jahren nahezu ungebremst. Dazu tragen neben den innerdeutschen Verkehren insbesondere die Transitverkehre bei. Deutschland ist seit langem Transitland Nr. 1 in Europa. War es bis in die 1990er Jahre vor allem der Transit in Nord-Süd-Richtung, so ist mit der Entwicklung von Marktwirtschaften in den ost- und südosteuropäischen Ländern besonders der Gütertransport in Ost-West-Richtung drastisch angestiegen. Deutschland hat aufgrund seiner geographischen Situation die Funktion einer zentralen Drehscheibe erhalten. Diese Entwicklung trifft in Europa – und hier wiederum brennglasartig verstärkt in Deutschland – auf einen Personenverkehr, der sich wegen der hohen Siedlungsdichte und der ausgeprägten interregionalen Arbeitsteilung bereits auf einem hohen Niveau befindet. Es ist davon auszugehen, dass mit fortschreitender europäischer Integration und zunehmender Wohlstandsentwicklung in den Beitrittsländern das Verkehrsvolumen in Deutschland weiterhin ansteigen wird. Der Verkehr scheint grenzenlos zu wachsen.

Die Belastung durch das hohe und anscheinend ungebremste Verkehrsvolumen stößt indes zunehmend an Grenzen, in Teilräumen ist die Raumverträglichkeit längst überschritten. Der Flächenverbrauch durch den Aus- und Neubau von Verkehrstrassen, der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen durch Kraftfahrzeuge, die Lärmbelastung sowie die Unfallfolgen werden in vielen Regionen Deutschlands als nicht mehr zumutbar empfunden. Hinzu tritt, dass die Sparzwänge der öffentlichen Hand auf mittlere Sicht immer weniger Erweiterungsinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur zulassen werden, wo doch Experten bereits von einem absehbar gigantischen Erneuerungsbedarf des Bestehenden sprechen. So wie allen die negativen Seiten des Verkehrs bewusst sind, so ist aber auch einsichtig, dass Mobilität wichtige Voraussetzung und Kennzeichen einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist.
Der Wettbewerb forderte dazu auf, sich mit der oben umrissenen Situation auseinander zu setzen und Vorschläge zu diskutieren, welche Folgerungen für die raum- und umweltbezogene Politik und Planung gezogen werden sollten. Die spezielle Problematik der Verkehrssituation in Grenzregionen war als ein mögliches Unterthema genannt worden.
Ausdrücklich war darauf hingewiesen worden, dass Beiträge aus den verschiedensten fachlichen Sichtweisen heraus erarbeitet werden konnten, allerdings auch eine fachübergreifende Betrachtung erwünscht sei.
Nach dem Abgabetermin am 15. April 2005 wurden die Wettbewerbsbeiträge an die Jury zur Prüfung und Bewertung übergeben. Mitglieder der Jury waren Professor Dr. Bernd Scholl (Leiter des Instituts für Städtebau und Landesplanung, Universität Karlsruhe), der auch den Vorsitz innehatte, Privatdozent Dr. Markus Hesse (Freie Universität Berlin, Fachbereich Geowissenschaften, Arbeitsbereich Stadtforschung), Professor Dr. Heinrich Hermann Kill (Fachhochschule Erfurt, Fachbereich Verkehrs- und Transportwesen) und Verbandsdirektor Dr.-Ing. Stefan Köhler (Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, Ravensburg).
Anfang Mai legte die Jury ihr Beratungsergebnis vor. Der FRU-Vorstand folgte der Empfehlung zur Preisvergabe, die vorsah, einen zweiten und einen dritten Preis zu vergeben.
Der Vorsitzende des Förderkreises, Prof. Dr.-Ing. Gerd Turowski, gab im Rahmen der Wissenschaftlichen Plenarsitzung in Ravensburg das Wettbewerbsergebnis bekannt und überreichte die Auszeichnungen.

Rückläufige Verkehrsmengen, Konsequenzen für die Regionalplanung

Der 3. Preis, dotiert mit 1000 EUR, wurde dem von Dipl.-Ing. Ute Weiß und Dipl.-Geograph Lars Liebe eingereichten Beitrag zuerkannt. Die Autoren sind in der Regionalen Planungsstelle Mittelthüringen tätig und derzeit mit der Fortschreibung des Regionalplans befasst. Aus dieser Aufgabe heraus haben sie ihren Wettbewerbsbeitrag entwickelt; dieser trägt den Titel „Rückläufige Verkehrsmengen?! Welche Konsequenzen zieht die Regionalplanung für ihr funktionales Straßennetz? Das Beispiel Thüringen“. Die Arbeit geht der Frage nach, inwiefern die Weiterentwicklung hochrangiger Straßennetze unter den demographischen Entwicklungen neu justiert werden sollten. Ziel der Arbeit war es, zu zeigen, dass eine Vorstellung von grenzenlos wachsender Verkehrsmengenentwicklung nicht pauschal für ganze Regionen, Bundesländer oder Deutschland insgesamt angenommen werden kann. Am Beispiel von Mittelthüringen verdeutlicht der Beitrag, dass die Entwicklung des Straßenverkehrs in Teilräumen sich bereits heute einer Sättigungsgrenze nähert oder sich mittelfristig nähern wird. „In der Arbeit werden“, so die Jury, „Fragen für die künftige Raumentwicklung angesprochen, die besonders in den gegenwärtig schrumpfenden Regionen von Bedeutung sind. Dies betrifft beispielsweise die Änderungen der Hierarchien von Netzwerken und Fragen ihrer zukünftigen Finanzierbarkeit. Die Arbeit stellt infolgedessen einen Vorschlag für den Umgang mit bestehenden funktionalen Straßennetzen in Mittelthüringen zur Diskussion. … Ein Beitrag zum Erkenntnisfortschritt ist vor allem für die vom Bevölkerungsrückgang betroffenen Räume erkennbar. Da jedoch in der weiteren Zukunft mit weit reichenden Änderungen der demographischen Entwicklung und damit Änderungen des Verkehrsverhaltens in vielen Regionen Deutschlands zu rechnen ist, werden mit der Arbeit bedeutsame Fragestellungen bei der Weiterentwicklung der hochrangigen Straßenverkehrsnetze aufgezeigt.“

Handelbare Umweltrechte als Steuerungsinstrument für den Straßengüterverkehr

Die Empfänger des zweiten Preises

Als beste Arbeit im Wettbewerb wurde der Beitrag von Anke Eßer und David Schmedding, beide Diplom-Wirtschaftsingenieure und als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Karlsruhe tätig, mit dem zweiten Preis in Höhe von 1500 EUR ausgezeichnet. Die Arbeit behandelt das Thema „Handelbare Umweltrechte als Steuerungsinstrument für den Straßengüterverkehr in sensiblen Regionen – am Beispiel der Brennerautobahn“. Im Kern geht es den Autoren darum, dass die von der Europäischen Kommission bereits vor zehn Jahren geforderten fairen und effizienten Preise im Verkehr realisiert werden durch Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs. In ihrer Untersuchung werden die traditionellen Internalisierungsinstrumente Steuern und Straßenbenutzungsgebühren in ihrer Wirksamkeit relativ gering eingeschätzt; statt dessen werden handelbare Umweltrechte präferiert, die es ihrem Halter erlauben, die Umwelt in einem bestimmten festgelegten Maße zu belasten. Die Arbeit legt die wesentlichen Rahmenbedingungen und Bestandteile eines Systems für handelbare Umweltrechte dar und simuliert am Beispiel der Brennerautobahn die Auswirkungen bei Einführung eines derartigen Systems einerseits auf das Ziel der Reduktion von Schadstoffen und andererseits auf die Verkehrssituation. Die Jury lobt den zielgerichteten Aufbau der Arbeit, die Verfolgung eines innovativen Ansatzes und dessen systematische Prüfung. Es werde ein Beitrag zum Erkenntnisfortschritt in einem für die Organisation grenzüberschreitender Verkehre wichtigen Bereich geleistet. Die Arbeit sei flüssig geschrieben und anschaulich durch die Beifügung von Graphiken und Diagrammen.
Nach der Laudatio und Preisübergabe hatten Anke Eßer und David Schmedding Gelegenheit, in komprimierter Form die Hauptgedanken der gemeinsamen Arbeit vorzutragen. Der Beifall der Tagungsteilnehmer belohnte sie für ihre interessanten Ausführungen.
Wie in den Vorjahren ist vorgesehen, die mit Preisen bedachten Arbeiten der Redaktion der Fachzeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ zur Veröffentlichung anzubieten.
Klaus Becker