Werner-Ernst-Preis 2003 vergeben

Risiken in Umwelt und Technik: Vorsorge durch Raumplanung

Der Förderpreis des Förderkreises für Raum- und Umweltforschung e.V. – FRU – wurde für 2003 zum zwölften Mal ausgeschrieben. Erstmals trägt er den Namen „Werner-Ernst-Preis“ und ehrt damit den 2002 verstorbenen Staatssekretär a.D. Professor Dr. jur. Dr. jur. h. c. Werner Ernst, der sich in der Exekutive (zuletzt als Staatssekretär), in der Judikative (als Bundesrichter) und in der Wissenschaft (als Hochschullehrer in Berlin und Münster sowie als Präsident – 1971 bis 1974 – und Ehrenpräsident der ARL) hohes Ansehen in Raumplanung und –forschung erworben hat.

Die Ausschreibung lehnte sich eng an das Thema der Wissenschaftlichen Plenarsitzung der ARL im November 2003 in Saarbrücken an. Der Wettbewerb galt der Frage, welche Rolle die Raumplanung bei der Erkennung und Vermeidung von Risiken in Umwelt und Technik sowie bei der Bewältigung von Schadensituationen spielen kann. Ausgangspunkt war dabei die Einschätzung, dass es dringend eines integrativen Ansatzes der Gefahrenabwehr bedarf, der die traditionell eher technisch orientierten Sichtweisen überwindet. Schließlich ist der enge Zusammenhang zwischen der Rauminanspruchnahme durch menschliche Aktivitäten und den natürlichen Umweltfaktoren nicht erst nach den letzten Hochwasserkatastrophen ins Bewusstsein geraten. Verbindende Klammern zwischen Raumplanung und Katastrophenvorsorge bestehen ja bereits in der gemeinsamen Verpflichtung zur Nachhaltigkeit sowie in einem weiter gefassten Verständnis von Raumplanung als Mittel der Risikominderung.

Der Wettbewerb forderte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema auf. Ausdrücklich war darauf hingewiesen worden, dass Beiträge aus den verschiedensten fachlichen Sichtweisen heraus bearbeitet werden konnten, allerdings eine fachübergreifende Betrachtung erwünscht sei.

Bis zum Abgabetermin 29. August 2003 lag eine erfreulich hohe Anzahl von Wettbewerbsbeiträgen vor, die der Jury zur Prüfung und Bewertung übergeben wurde. Mitglieder der Jury waren Professorin Dr. Heiderose Kilper, Direktorin des Instituts für Entwicklungsplanung und Strukturforschung in Hannover, als Vorsitzende, Referatsleiter Dipl.-Ing. Cord-Heinrich Bahlburg, Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin und Brandenburg in Potsdam, Wiss. Angestellter Dipl.-Ing. Michael Kiehl, Universität Dortmund, und Prof. Dr. Jürgen Pohl, Geographisches Institut der Universität Bonn.

Ende Oktober legte die Jury ihr Ergebnis vor. Drei Wettbewerbsarbeiten wurden mit Geldpreisen bedacht. Der Vorsitzende des Förderkreises, Prof. Dr.-Ing. Gerd Turowski, Universität Dortmund, würdigte das Wettbewerbsergebnis und überreichte die Preise im Rahmen der Wissenschaftlichen Plenarsitzung der ARL.

Störfallvorsorge in der Stadt- und Regionalplanung

Der dritte Preis in Höhe von 1.000,- EUR ging an Dipl.-Ing. Claudia Dinkloh, Absolventin der Fakultät Raumplanung der Universität Dortmund, für ihre Arbeit „Störfallvorsorge in der Stadt- und Regionalplanung“. In dem aus ihrer Diplomarbeit hervorgegangenen Wettbewerbsbeitrag setzt sich Dinkloh mit der Frage auseinander, welchen Beitrag die Instrumente der Bauleit- und der Regionalplanung zur Risikovorsorge bei Störfällen in technischen Anlagen leisten können und wie eine Optimierung bzw. Weiterentwicklung der bestehenden Instrumente erreicht werden kann. Damit liegt dieser Beitrag, wie die übrigen ausgezeichneten Arbeiten auch, im Kernbereich der Ausschreibung.

Dinkloh legt zunächst eine überzeugende Darstellung der räumlichen Dimension von Risiken bzw. Störfällen vor und gibt dann einen fundierten Überblick über die derzeit bestehenden Gesetze, Verordnungen, Richtlinien usw., die den Umgang der Raumplanung mit Risiken bestimmen. Im Zentrum des Beitrages steht die Entwicklung eines dreistufigen Risikoinformationssystems mit den Instrumenten Gefahrenhinweiskarte, Empfindlichkeitskarte und Risikokarte. Aus diesen drei Elementen können verschiedene Risikoraumtypen und Risikopläne abgeleitet werden, so dass insgesamt eine stärkere Beachtung von insbesondere technischen Risiken durch die Regional- und Bauleitplanung erreicht werden kann.

Die Jury stellte fest, dass die Arbeit durch hohe Sachkenntnis und argumentative Souveränität sowohl in der Analyse als in den Schlussfolgerungen und Empfehlungen überzeugt.

Informationsmanagement für Raumplanung und Wasserwirtschaft

Den zweiten Preis, dotiert mit 1.500,- EUR, erhielt Dr.-Ing. Klaus Dapp für seine Arbeit zum Thema „Informationsmanagement für Raumplanung und Wasserwirtschaft als Beitrag zum vorbeugenden Hochwasserschutz“. Der Wettbewerbsbeitrag von Dapp ist im Zusammenhang entstanden mit seiner Dissertation „Informationsmanagement in der Planung am Beispiel des vorsorgenden Hochwasserschutzes“ sowie mit Projekten am Fachgebiet Umwelt- und Raumplanung an der TU Darmstadt. Der Preisträger ist wissenschaftlicher Referent bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag.

Behandelt werden die Möglichkeiten zur Einführung eines Informationssystems/ managements für den vorbeugenden (in Abgrenzung zum technischen) Hochwasserschutz durch die öffentliche Planung der Wasserwirtschaft und der Raumplanung.

Im ersten Teil seines Beitrages stellt der Verfasser die europäischen und nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen der Wasserwirtschaft und der räumlichen Planung hinsichtlich des Hochwasserschutzes überzeugend heraus. Zudem wird der Informationsbedarf der relevanten Akteure identifiziert. Als grundlegendes Problem wird dabei „die unzureichende Versorgung der unterschiedlichen Akteure mit geeigneten Informationen zum erforderlichen Zeitpunkt zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Planungsprozess“ gewertet.

Zur Überwindung dieser unbefriedigenden Situation entwickelt Dapp im zweiten Teil des Beitrages die Struktur eines Informationsmanagements, das sowohl den verwaltungsinternen Informationsaktivitäten wie auch den Anforderungen einer umfassenden Öffentlichkeitsinformation und –beteiligung gerecht werden soll. In diesem innovativen Ansatz liegt, so die Jury, das eigentliche Verdienst des Beitrages, mit dem konkrete, nach Akteuren und Maßstabsebenen differenzierte Vorschläge zur Entwicklung eines Informationssystems vorgelegt werden, die der räumlichen Planung bzw. der Wasserwirtschaft bei der Verringerung von Hochwasserrisiken hilfreich sein können. Der Beitrag zeichnet sich in den theoretischen Ausführungen durch große Sachkenntnis aus und liefert zugleich einen überzeugenden, detaillierten und durchdachten Entwurf eines Informationsmanagements.

Vorsorge durch Raumplanung?

Die Jury erkannte den ersten Preis in Höhe von 2.000,- EUR der Arbeit eines Autorenduos zu: die im Examen stehenden Studenten Christian Kuhlicke und Daniel Drünkler behandeln das Thema „Vorsorge durch Raumplanung? Das Problem der Prävention in zeitlicher und raumplanerischer Hinsicht“. Diese Arbeit ist im Rahmen ihres Studiums an der Universität Potsdam entstanden – dies ist bei Kuhlicke der Diplomstudiengang Geographie mit den Nebenfächern Soziologie und Geologie, bei Drünkler der Magisterstudiengang Anthropogeographie mit den Nebenfächern Öffentliches Recht und Soziologie. Von Belang sind dabei auch Studienaufenthalte beider im Ausland.

Der Beitrag beginnt mit der These, dass eine Vorsorge bzw. Prävention von Umweltrisiken eigentlich nur in einem so genannten „window of opportunities“ im unmittelbaren Anschluss an eine Katastrophe möglich ist. Nur dann werde die Relevanz von Vorsorge von den Betroffenen und von den Entscheidungsträgern anerkannt. Die Autoren schildern Restriktionen, die in Deutschland einer Nutzung dieses „windows of opportunities“ entgegenstehen, und stellen Verbesserungsvorschläge vor. Dabei liegen Schwerpunkte auf der Verlagerung von Kompetenzen auf die kommunale Ebene sowie einem Instrumentenmix aus Gesetzgebung und Leitbildentwicklung, finanziellen Anreizsystemen, projektbezogener Planung und aktiver Mitwirkung der Betroffenen.

Die Jury zeigte sich angetan davon, dass in dem Beitrag überzeugend und stringent ein Präventionsansatz von bemerkenswertem Innovationsgehalt entwickelt wird. Der Beitrag sei theoretisch fundiert, schließe an die aktuelle wissenschaftliche Diskussion über Vulnerabilität (Verwundbarkeit) und Prävention an und zeige darüber hinaus einen schlüssigen Weg in die Praxis durch Verknüpfung von Bevölkerung, Wirtschaft, Politik und Planung. Es werde dabei plausibel dargelegt, dass und inwieweit die Raumplanung in diesem Ansatz eine Schlüsselstellung einnimmt.

Die Empfänger des ersten Preises hatten Gelegenheit, die Kernaussagen ihrer Arbeit den Teilnehmern der Wissenschaftlichen Plenarsitzung der ARL in Saarbrücken vorzutragen; sie erhielten dafür den verdienten Beifall wie auch die übrigen Preisträger, die auf Einladung des Förderkreises an der Veranstaltung teilnahmen und ihre Auszeichnungen in Empfang nahmen.

Es ist beabsichtigt, die drei ausgezeichneten Arbeiten in der Fachzeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ zu veröffentlichen.

Klaus Becker