29. FRU-Förderpreis für Raum- und Umweltforschung 2020

– Internationale Ausschreibung –

Der Förderkreis für Raum- und Umweltforschung e. V. (FRU) schreibt den FRU-Förderpreis für Raum- und Umweltforschung 2020 aus. Die Ausschreibung befasst sich dieses Mal mit dem Thema Gemeinwohl und Gerechtigkeit in der räumlichen Planung. Das Wettbewerbsthema lautet:

Just Spaces? – Gerechtigkeit und Gemeinwohl in Stadt und Region

Fragen von Gemeinwohl und Gerechtigkeit haben in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft wieder mehr Aufmerksamkeit gefunden. Auf städtischer Ebene sind Ungerechtigkeiten schon lange offensichtlich, wenn sich Armut und unterschiedlicher Zugang zu Bildung im Wohlstand von Stadtteilen und Quartieren niederschlägt. Seit einigen Jahren wird diese Segregation in zahlreichen Großstädten durch das Bevölkerungswachstum weiter verschärft. Prozesse der Gentrifizierung kollidieren mit dem Grundrecht auf Wohnen, drängen Menschen aus ihrem angestammten Wohnumfeld und beeinträchtigen damit eine am Gemeinwohl ausgerichtete Stadtentwicklung.(i)
Zugleich geht die Einwohnerzahl in vielen ländlichen Räumen zurück und die Ver-sorgungsinfrastruktur hat sich in den letzten Jahren immer weiter „aus der Fläche“ zurückgezogen, etwa die örtliche Bank- und Postfiliale oder der Einzelhandel. Auch hier stellen sich Fragen nach der Gemeinwohlorientierung dieser Entwicklung, vor Ort entsteht ein Gefühl des „Abgehängtseins“. Und auch großräumig rücken Gerech-tigkeitsfragen in den Blickpunkt, wenn die Länder Südeuropas einerseits weiterhin unter der ökonomischen Krise leiden und andererseits zusätzlich große Lasten der Migration tragen müssen.

Es gibt diverse planerische Aufgaben, die mit Fragen räumlicher Gerechtigkeit verknüpft sind. Umweltgerechtigkeit etwa zielt u.a. darauf, inwieweit die verschiedenen Quartiere einer Stadt gerecht mit Umweltqualitäten versorgt sind oder ob Lärm und Luftschadstoffe ungerecht verteilt sind bzw. einzelne Bevölkerungsgruppen besonders darunter leiden (ii). Dabei geht es immer auch um Fragen des Gemeinwohls, d.h. wie sich die Gesellschaft auch in sozialer Sicht nachhaltig organisieren lässt.
In Bezug auf öffentliche Räume in Städten und Gemeinden wird über Flächengerech-tigkeit debattiert. Autos nutzen einen hohen Flächenanteil und beeinträchtigen damit die Lebensqualität bzw. Menschen, die ohne Auto mobil sein wollen (ii/iiv). Hinzu kommen Fragen der verkehrlichen Gesundheitsbelastungen, Unfallvermeidung oder die Benachteiligung sozioökonomisch benachteiligter Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu Mobilität.
Die Zielsetzung der Nachhaltigkeit weist zudem auf die zeitliche Dimension hin: Wie lässt sich Gerechtigkeit bei all diesen Aspekten nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für zukünftige Generationen mitdenken und sicherstellen.
Der FRU-Förderpreis für Raum- und Umweltforschung 2020 ruft dazu auf, sich mit dem Thema „Just Spaces“ in Bezug auf die Stadt und/oder die Region auseinander zu setzen. Die Beiträge können sich aus unterschiedlicher Fachsicht mit dem Themenfeld befassen, sie können theoretisch-konzeptionell ausgerichtet sein oder sich empirisch auf einzelne Fallbeispiele oder Projekte beziehen und diese wissenschaft-lich analysieren. Mögliche Fragen könnten beispielsweise sein (nur eine Auswahl, weitere Themen sind möglich):

Begriff und Begriffsgeschichte: Was kann unter Gerechtigkeit in räumlicher Hin-sicht verstanden werden und wie hat sich dieses Verständnis im Laufe der letz-ten Jahrzehnte ggf. verändert?

  • Räumliche Trends und Gerechtigkeit: Welchen Einfluss haben aktuelle raumrelevante Trends auf Fragen der raumbezogenen Gerechtigkeit? (bspw. demographischer Wandel, Binnenwanderung, Standorte von Infrastrukturen, etwa Windenergie oder Atommüll-Endlager)
  • Verteilungsgerechtigkeit: Wie kann Verteilungsgerechtigkeit in der Raumentwicklung erreicht werden, wenn es zum Beispiel um Infrastrukturen, Lebensqualitäten und Standorte geht? Wie kann Gerechtigkeit räumlich ausbalanciert werden? Was sind gerechte Verteilungen von Chancen und Belastungen?
  • Gleichwertige Lebensbedingungen: Welche Rolle spielt Gerechtigkeit bei der Definition gleichwertiger Lebensbedingungen? Wie können entsprechende Lösungsansätze und Strategien aussehen – in Deutschland, aber auch international in Europa (z.B. Regionalförderung und Kohäsionspolitik der EU)?
  • Verfahrens- und Anerkennungsgerechtigkeit: Welche Rolle spielt Gerechtigkeit in Planungsverfahren und Ansätzen der strategischen Raumentwicklung? Wer wird (nicht) beteiligt, wird (nicht) als legitim anerkannt und wird (nicht) in seinen Interessen wahrgenommen?
  • Nachhaltigkeit: Wie können zentrale Gerechtigkeitsforderungen der Nachhaltigkeits- und Klimagerechtigkeitsdebatte (inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit) in Ziele, Strategien, Instrumente und Verfahren der Stadt- und Raumentwicklung einfließen?
  • Gesundheit: Wie können negative Einflüsse auf die menschliche Gesundheit, wie Folgen von Klimawandel oder Autoverkehr, aufgefangen werden und wie können gerechtere Lösungen aussehen (Klimaschutz, Klimaanpassung, Verkehrswende)?
  • Grundsatzdiskussion: Wie verortet sich die Thematik „Just Spaces“ in internati-onalen Debatten um „spatial justice“, „energy justice“, „environmental justice“ oder „just transitions“?
  • Handeln: Welche politischen und planerischen Handlungsansätze können dazu beitragen, (mehr) Gerechtigkeit zu schaffen? Wer entwickelt Stadt und Region und wie kann dieses Handeln am Gemeinwohl ausgerichtet werden?
  • Zivilgesellschaft: Wie artikulieren Zivilgesellschaft und Protestbewegungen Fragen der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls und welche Einwirkungsmöglichkeiten, aber auch Einschränkungen haben sie?

Die hier aufgeworfenen Fragen sollen nur als Anregung und Inspiration dienen. Themen der Wettbewerbsbeiträge können einzelne Fragestellungen mit Bezug zu diesen inhaltlichen Zusammenhängen sein, ebenso aber auch weitere Aspekte des Themenfelds „Just Spaces? – Gemeinwohl und Gerechtigkeit in Planung und Entwicklung von Stadt und Region“.

Erwartungen an die Wettbewerbsbeiträge

Der Wettbewerb richtet sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler (Master-, Promotions- oder Post Doc-Phase) ebenso wie an Personen, die sich in ihrer beruflichen Praxis in Verwaltung, Planungsbüros etc. mit Fragen der Stadt- und Raumentwicklung beschäftigen. Er ist offen für alle raumrelevanten Disziplinen. Wissenschaftlich ausgerichtete Beiträge mit eher theoretischem Ansatz sind ebenso willkommen wie analytische Arbeiten oder reflektierte Erfahrungsberichte aus der Praxis mit wissenschaftlicher Fundierung.
Interessierte können gerne zunächst beim Förderkreis anfragen, ob sich ein vorgesehenes Thema für den Wettbewerb eignet. Neben eigens für den FRU-Förderpreis für Raum- und Umweltforschung 2020 erstellten Beiträgen können auch solche Arbeiten eingereicht werden, die auf umfassenderen, bereits vorliegenden oder in
Arbeit befindlichen Studien-, Projekt- oder Abschlussarbeiten sowie Dissertationen beruhen.

Preise und Preisverleihung

Der FRU-Förderpreis für Raum- und Umweltforschung 2020 ist mit insgesamt 4.500 € dotiert. Vorgesehen ist die Vergabe eines ersten Preises (2.500 €), eines zweiten Preises (2.000 €) und eines dritten Preises (1.500 €).
Auf Vorschlag der Jury können eine Reduzierung der Zahl der Preise und eine andere Aufteilung der Preissumme erfolgen. Sonderpreise sind möglich, um außergewöhnliche Beiträge anzuerkennen.

Die Preise werden im Rahmen des ARL-Kongresses am 26. Juni 2020 in Leipzig überreicht. Die Verfasserinnen bzw. Verfasser der jeweils mit dem ersten Preis aus-gezeichneten Wettbewerbsbeiträge erhalten Gelegenheit, ihre Arbeiten vorzustellen.

Teilnahmebedingungen

Teilnehmen können Studierende, Absolventinnen und Absolventen sowie Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter in Lehre, Forschung und Praxis aller relevanten Fachbereiche. Das Höchstalter beträgt 35 Jahre (Stichtag: 15. März 2020). Zugelassen sind auch Arbeiten von Teams aus bis zu drei Autorinnen bzw. Autoren.
Die eingereichten Arbeiten sind in englischer oder deutscher Sprache abzufassen und dürfen noch nicht an anderer Stelle veröffentlicht oder zur Veröffentlichung an-geboten worden sein.

Die Arbeiten müssen bis zum 15. März 2020 (Datum des Poststempels) in vierfacher Druckversion und in elektronischer Version – bevorzugt auf CD – zusammen mit dem ausgefüllten Bewerbungsbogen (herunterzuladen von der Website des FRU unter www.FRU-online.de) bei der Geschäftsstelle des Förder-kreises eingereicht werden. Die Druckversionen und die elektronische Version müs-sen identisch sein und dürfen keinen Hinweis auf die Verfasser enthalten. Pro Be-werber bzw. Bewerberin kann nur eine Arbeit eingereicht werden. Über die Preis-vergabe entscheidet eine unabhängige Jury, deren Mitglieder vom FRU bestimmt werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die eingereichten Arbeiten können lei-der nicht zurückgegeben werden.

Der FRU lädt die Preisträgerinnen bzw. Preisträger zur Teilnahme am ARL-Kongress am 25.-26.06.2020 in Leipzig ein. Er sorgt bei Bedarf für Unterkunft und erstattet die Fahrtkosten nach dem Bundesreisekostengesetz.
Die Preisträgerinnen und Preisträger verpflichten sich zur unentgeltlichen Übertragung des Rechts zur Veröffentlichung ihrer eingereichten Arbeiten oder von Teilen daraus an den FRU bzw. an die ARL, sofern in deren Verlag eine Veröffentlichung erfolgt.

Ansprechpartner

Die Arbeiten sind einzureichen an folgende Adresse:
Förderkreis für Raum- und Umweltforschung e.V.
Geschäftsstelle
Förderpreis für Raum- und Umweltforschung 2020 ARL
Vahrenwalder Str. 247
30179 Hannover

Auskünfte erteilen:
Dr. Andreas Stefansky ARL / Geschäftsstelle des FRU
E-Mail: Stefansky@arl-net.de
Prof. Dr. Jörg Knieling (Stv. Vorsitzender des FRU) HafenCity Universität Hamburg
E-Mail: joerg.knieling@hcu-hamburg.de

Mit Unterstützung der Christel & Klaus Wolf-Stiftung

Hier die Ausschreibung als Download

Verweise
(i) Twickel, Christoph 2010: Gentrifidingsbums oder Eine Stadt für alle (Nautilus Flugschrift), Hamburg.
(ii) UBA 2019: Umweltgerechtigkeit – Umwelt, Gesundheit und soziale Lage (https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/umweltgerechtigkeit-umwelt-gesundheit-soziale-lage#textpart-1)
(iii) Siehe Zahlen aus MiD 2017 zum Modal Split in Städten
(iv) BUND Bremen 2019: Flächenverbrauch (https://www.bund-bremen.net/themen/mensch-und-umwelt/mobilitaet/autoverkehr/strassenbau/flaechenverbrauch/)
(v) VCD 2019: Flächengerechtigkeit (https://www.vcd.org/themen/strasse-zurueckerobern-neu/flaechengerechtigkeit/)